Geschichte und Leistungen des Vereins für Höhlenkunde Sierning

Von Eduard Knoll, Manfred Knoll und Rudolf Weißmair (Sierning)

 

Bis 1951 gehörte eine Gruppe von begeisterten Sierninger Höhlenforschern dem Landesverein für Höhlenkunde in Oberösterreich an. Die damaligen Verkehrsverhältnisse legten jedoch eine regionale Selbständigkeit nahe;  so kam es vor nahezu fünfzig Jahren zur offiziellen Gründung der "Sektion Sierning des Landesverein für Höhlenkunde in Oberösterreich" mit dem Sitz in Sierning, Hochstraße 2.  Die konstituierende Gründungsversammlung fand im Gasthof Forsthof statt; erster Obmann des eigenständigen Vereines wurde Franz Schimpelsberger.

Die Grundausrüstung an Geräten und Material wurde von den Vereinsmitgliedern zur Verfügung gestellt; der Landesverein für Höhlenkunde in Oberösterreich spendete nicht unwesentliche Summen zum Ankauf eines Stahlseilgerätes und anderen Befahrungsmaterials. Die Heimatgemeinde des Vereines gewährte regelmäßig großzügige finanzielle Unterstützung und auch andere Spender und Gönner trugen ihr Scherflein zur Vereinstätigkeit bei. Um durch eigene Leistungen zu größeren Einnahmen zu kommen, wurde 1952 der erste "Höhlenforscher ball" veranstaltet. Die alljährlichen Bälle waren vierzig Jahre hindurch die wichtigste Geldquelle. Die große Entfernung der Forschungsziele vom Standort, die bis zu 200 Kilometer beträgt, erzwang bereits 1953 die Anschaffung eines eigenen Vereinsfahrzeuges; es war ein Steyr A-Typ mit Holzvergaser. Das Fahrzeug wurde vollständig zerlegt, entrostet und wieder zusammengestellt. Wenn eine Ausfahrt bevorstand, wurde die notwendige Batterie jeweils von einer örtlichen Mechanikerwerkstätte ausgeliehen. Noch im selben Jahr folgte ein alter Rettungswagen mit Allradantrieb, der vom Roten Kreuz käuflich erworben werden konnte; er tat jahrelang gute Dienste. Als Anerkennung für die geleisteten Arbeiten in Zusammenhang mit einem geplanten Pumpspeicherwerk in Molln stellten die Auftraggeber, die Ennskraftwerke AG., 1972 einen VW-Bus zur Verfügung, der bis zum Jahre 1978 Verwendung fand.

Mittelpunkt der Forschertätigkeit waren in den Anfangsjahren das Ennstal, das Dachsteingebiet, die Gebirge um Hinterstoder, der Warscheneckstock und die Höhlen des Sengsengebirges. Von 1966 bis 1973 stellten hydrologische Untersuchungen im Reichraminger Hintergebirge und in den Mollner Vorbergen für das geplante Pumpspeicherwerk den Schwerpunkt der Vereinstätigkeit dar. In der Innerbreitenau bei Molln, im Wendbachgraben bei Trattenbach, am Reichramingbach im Ebenforst wurden etwa 300 Wasserläufe, Einzugsgräben, Quellaustritte und Karstphänomene dokumentiert und an vielen davon über einen längeren Zeitraum Temperatur und Schüttung gemessen. Im Verlaufe dieser Arbeiten konnten auch verschiedene Höhlen und Schächte erkundet werden.

In den Siebzigerjahren folgte die Neuvermessung der wichtigsten bekannten Höhlen in der Umgebung von Sierning. Dann verlagerte sich das Forschungsgeschehen ins Warscheneckgebiet und nach 1984 schließlich ins zentrale Tote Gebirge. Ab 1990 wurde einem Teil des Sengsengebirges besondere Aufmerksamkeit geschenkt, und derzeit liegt der Brennpunkt der Aktivitäten auf der "Almtaler Sonnenuhr" im nördlichen Toten Gebirge. Die Forschungen in diesem letztgenannten Gebiet setzten im November 1987 mit der Entdeckung der Königreichhöhle ein, einer durch Rundprofile und Fließfacetten charakterisierten, überwiegend horizontal verlaufenden Höhle, die bereits 1988 auf den heutigen Stand von etwa einem Kilometer Gesamtlänge vermessen wurde. Die seit 1989 bearbeitete Tunnelhöhle ist wie die meisten Höhlen dieses Gebietes nur nach langem Zustieg zu erreichen und weist derzeit ebenfalls eine Länge von etwa einem Kilometer auf. Unter den weiteren Höhlen dieses Gebietes sind die schwierig erreichbaren Sturmlöcher zu erwähnen, deren labyrinthischen Gänge bisher kaum erforscht sind. In einem leichter zugänglichen Teil der Almtaler Sonnenuhr liegt neben einer eisfreien, hauptsächlich kluftgebundene Durchgangshöhle eine großräumige überwiegend schichtgebundene Eishöhle mit 350 Meter länge; den Hauptteil dieser Höhle bildet ein 230 Meter langer eisführender Gang.

Dies sind nur einige Hinweise aus der umfangreichen Tätigkeit, die immer vom Engagement einiger Einzelpersonen abhängig war, obwohl sich der Mitgliederstand stets zwischen 30 und 50 Personen bewegte. Stets waren dem Verein auch Denkmal-, Natur- und Umweltschutz ein besonderes Anliegen. So trat er seinerzeit vehement gegen den geplanten Abbruc des Schlosses im Zentrum von Sierning auf, welches letztlich doch erhalten, renoviert und revitalisiert werden konnte. Er war aber auch für die Erklärung von Höhlen zum Naturdenkmal initiativ. Die Publikation genauer Lageangaben der vom Verein für Höhlenkunde Sierning erkundeten Höhlen wird bewußt hintangehalten. So konnte der in der Vergangenheit immer wieder aufgetretene Vandalismus in Höhlen im Einflußbereich des Vereines erfolgreich unterbunden werden. Eine der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft sieht der Verein darin, mit geeigneten Unternehmungen an die Jugend heranzutreten um die Überalterung der Forschergruppe zu verhindern.

 

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